Rah­men­kon­zept

Wo kämen wir hin
wenn alle sag­ten
wo kämen wir hin
und nie­mand gin­ge
um ein­mal zu schau­en
wohin man käme
wenn man ginge

- Kurt Marti

Zie­le

“Soviel Betreu­ung und Beglei­tung wie nötig, soviel Selb­stän­dig­keit und Eigen­ver­ant­wor­tung wie möglich!”

Die Situa­ti­on von jun­gen Men­schen mit Behin­de­rung ist auch heu­te gekenn­zeich­net durch eine star­ke Abhän­gig­keit von Eltern und Fami­lie. Vor ca. 9 Jah­ren fand sich des­halb eine Initia­tiv­grup­pe von meh­re­ren Fami­li­en mit behin­der­ten jun­gen Men­schen. Hier reif­te der Ent­schluss, nach Kin­der­gar­ten und Schul­zeit für behin­der­te jun­ge Erwach­se­ne eine Ein­rich­tung zu schaf­fen, in der sie in einer Gemein­schaft leben kön­nen, sie beglei­tet und in dem Anspruch för­dert, selbst­ver­ant­wort­lich den All­tag, die Arbeit und das sozia­le Umfeld mit Kon­tak­ten nach innen und nach außen ent­spre­chend ihren Mög­lich­kei­ten bewäl­ti­gen zu können.

Im Zusam­men­hang mit der Rea­li­sie­rung des Wohn­pro­jek­tes ent­stand im Jahr 2002 die „Stamm­haus Jülich gGmbH“, die als Trä­ger des Hau­ses fun­gie­ren sollte.

Ent­wick­lung des Konzeptes

Schon nach der ers­ten Vor­stel­lung des Stamm­haus­pro­jek­tes im Jahr 1998 betei­lig­te sich eine Grup­pe von jun­gen behin­der­ten Inter­es­sen­ten – vie­le waren ehe­ma­li­ge Besu­cher der Kin­der­ta­ges­stät­te Has­sels­wei­ler – aktiv an der Wei­ter­ent­wick­lung des Kon­zep­tes. Es ent­wi­ckel­te sich – neben der Eltern­in­itia­ti­ve – eine Gemein­schaft jun­ger behin­der­ter Men­schen, die Stamm­haus­grup­pe, die mit ihren Akti­vi­tä­ten in Jülich schnell bekannt wur­de und so das Pro­jekt in der Öffent­lich­keit verbreitete.

Bei den vor­be­rei­ten­den Pla­nungs­ge­sprä­chen arti­ku­lier­ten die jun­gen behin­der­ten Men­schen ihren Wunsch, in einer solch gemisch­ten Grup­pe ihre sozia­len Bezie­hun­gen pfle­gen zu kön­nen. Gesell­schaft­li­che Aner­ken­nung erhoff­ten sich die jun­gen Leu­te, wenn sie sich mit dem Stamm­haus wei­ter am kul­tu­rel­len, sport­li­chen und gesell­schaft­li­chen Leben in Jülich und Umge­bung aktiv beteiligten.

In ihrer eige­nen Zei­tung – den „Stamm­haus – Nach­rich­ten“ und bei vor­be­rei­ten­den Tref­fen setz­ten sie sich inten­siv mit der Wohn­kon­zep­ti­on aus­ein­an­der. Sie inter­view­ten die Archi­tek­tin und dis­ku­tier­ten mit ihr Mög­lich­kei­ten eines Woh­nens im Hin­blick auf ihre spe­zi­el­len Bedürfnisse.

Über­ein­stim­mend begrüß­ten alle die vor­ge­stell­ten Plä­ne als ein gestal­te­tes schö­nes „Zuhau­se“ – mit außer­or­dent­lich guten Vor­aus­set­zun­gen zur Kom­mu­ni­ka­ti­on und Inte­gra­ti­on für Men­schen mit Behin­de­rung. Sie wünsch­ten sich die Unter­brin­gung in Ein­zel­zim­mern, die sie selbst mit­ge­stal­ten woll­ten. Ganz zen­tral sehen sie ihr Bedürf­nis, sich – ent­spre­chend ihrer jewei­li­gen Beein­träch­ti­gung – soweit wie mög­lich an der Basis­ver­sor­gung, der Haus­halts­füh­rung, der Frei­zeit­ge­stal­tung und der Pfle­ge von Sport- und Außen­an­la­gen zu beteiligen.

Sie wol­len – je nach ihren Fähig­kei­ten – akti­ve Mit­ge­stal­ter des Stamm­hau­ses sein und legen Wert auf Mit­be­stim­mung, aber auch Mitverantwortlichkeit.

Die Ziel­grup­pe

Die Ziel­grup­pe umfasst jun­ge Men­schen mit unter­schied­li­chen Behin­de­run­gen, z.B. kör­per­li­chen Behin­de­run­gen, Lern­be­hin­de­run­gen und Teil­leis­tungs­stö­run­gen, Seh­be­hin­de­rung, Mehr­fach­be­hin­de­run­gen und geis­ti­gen Behin­de­run­gen, Ent­wick­lungs­re­tar­die­run­gen und Kommunikationsstörungen.

Ziel­set­zun­gen des Projektes

Die Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner sol­len im Stamm­haus nicht nur die not­wen­di­ge Pfle­ge, Betreu­ung, Unter­kunft, Erho­lung und Ernäh­rung erhal­ten, son­dern Woh­nen im Stamm­haus als akti­ves, krea­ti­ves Leben erfah­ren. Die Betreu­ung rich­tet sich nach einem „Bezugs­per­so­nen­sys­tem“ und soll Ver­trau­en und Gebor­gen­heit gewähr­leis­ten. Indi­vi­du­el­le För­der­plä­ne mit regel­mä­ßi­ger Reflek­ti­on sind hier­bei wich­tig. Das Wohn‑, Betreu­ungs- und För­der­an­ge­bot steht unter der Ziel­vor­ga­be „Teil­nah­me – Nor­ma­li­sie­rung – Selbstbestimmung“.

Unter Teil­nah­me ist ein Leben mit den behin­de­rungs­be­ding­ten Ein­schrän­kun­gen zu ver­ste­hen, das den Erhalt und die Erwei­te­rung per­sön­li­cher Hand­lungs­kom­pe­ten­zen Stamm­haus Jülich – Novem­ber 2008 3 zur selbst­stän­di­gen All­tags­be­wäl­ti­gung beinhal­tet. Wir möch­ten in den Wohn­grup­pen des Stamm­hau­ses und im nach­bar­schaft­li­chen Umfeld die sozia­le Inte­gra­ti­on der Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner fördern.

Nor­ma­li­tät und per­sön­li­che Ent­fal­tung sind dabei für jeden Teil­neh­mer anzu­stre­ben. Mit Nor­ma­li­sie­rung ist nicht Anpas­sung gemeint, son­dern die Annah­me behin­der­ter Men­schen mit den glei­chen Rech­ten, der glei­chen Ver­ant­wor­tung, den glei­chen Mög­lich­kei­ten, wie sie allen Men­schen zuge­stan­den wer­den. Wir möch­ten die Per­sön­lich­keit jedes ein­zel­nen sowie sei­ne Eigen­ver­ant­wort­lich­keit respek­tie­ren und ihm Selb­stän­dig­keit und Ent­schei­dungs­spiel­raum im Rah­men sei­ner Fähig­kei­ten ein­räu­men. Unse­re Arbeit ver­steht sich als Hil­fe zur Selbst­hil­fe”. Zen­tral ist daher die Erhal­tung der per­sön­li­chen Ent­schei­dungs­frei­heit und somit auch die För­de­rung der Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung jedes Ein­zel­nen. Nicht das Urteil ande­rer ist hier maß­ge­bend, son­dern die Ver­wirk­li­chung eige­ner Bedürf­nis­se sowie die urei­ge­nen Wün­sche der Bezie­hungs­ge­stal­tung zur nähe­ren und wei­te­ren Umwelt machen eine Aus­sa­ge über die Lebens­qua­li­tät. Des­halb wur­den die zukünf­ti­gen Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner in den wei­te­ren Pla­nun­gen einbezogen.

Zur Wohn­kon­zep­ti­on

Die Beglei­tung und Betreu­ung der Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner basiert auf dem Nor­ma­li­sie­rungs­prin­zip und hat deren wei­test­ge­hen­de sozia­le Inte­gra­ti­on zum Ziel. Die Per­sön­lich­keit jedes Ein­zel­nen sowie die Eigen­ver­ant­wort­lich­keit die­ses erwach­se­nen Men­schen ist zu respek­tie­ren und ihm Selb­stän­dig­keit und Ent­schei­dungs­spiel­raum im Rah­men sei­ner Fähig­kei­ten ein­zu­räu­men. Des­halb sol­len lang­fris­tig – ent­spre­chend den vor­lie­gen­den ver­schie­de­nen Behin­de­rungs­for­men und ‑aus­prä­gun­gen auch unter­schied­li­che Wohn- und Frei­zeit­mög­lich­kei­ten ange­bo­ten wer­den. Im Hin­blick auf die kul­tu­rel­len und sozia­len Mög­lich­kei­ten ver­ste­hen wir das Stamm­haus als eine Ein­rich­tung, die im Stadt­ge­biet Jülich ein­ge­bet­tet ist. Nur so sind selbst­ver­ständ­li­che Kon­tak­te zu behin­der­ten und nicht­be­hin­der­ten Men­schen her­zu­stel­len und zu vertiefen.

Woh­nen ist ein ele­men­ta­res Grund­be­dürf­nis und Aus­druck per­sön­li­cher Lebens­qua­li­tät. Die oft syn­ony­me Ver­wen­dung der Begrif­fe Wohn­qua­li­tät und Lebens­qua­li­tät ver­deut­licht den hohen Stel­len­wert, den das Woh­nen heu­te hat. Da die Woh­nung als Lebens­mit­tel­punkt und Aus­gangs­ba­sis für die pri­va­te und all­täg­li­che Lebens­ge­stal­tung eine zen­tra­le Rol­le spielt, bestimmt die indi­vi­du­el­le Wohn­si­tua­ti­on über Chan­cen und kon­kre­te Hand­lungs­spiel­räu­me einer selbst­be­stimm­ten Lebens­füh­rung. Dies gilt unein­ge­schränkt für behin­der­te Men­schen. Die Qua­li­tät des Woh­nens und die damit ver­bun­de­nen Lebens­mög­lich­kei­ten in der Wohn­um­welt haben für sie eine emi­nent wich­ti­ge Bedeutung.

Behin­der­te Men­schen haben ein Recht auf die freie Ent­schei­dung über die jewei­li­ge Wohn­form, d.h. auch auf eine eige­ne Woh­nung mit ent­spre­chen­den flan­kie­ren­den Unter­stüt­zungs­maß­nah­men. Dies bedeu­tet kon­se­quen­ter­wei­se: „Grund­sätz­lich kann jeder behin­der­te Mensch in einer eige­nen Woh­nung leben, wenn die not­wen­di­ge Assis­tenz in den eige­nen vier Wän­den orga­ni­siert und gege­ben wer­den kann“ (ÖSTER­WITZ 1992). Der Grund­an­spruch auf die freie Ent­schei­dung über Wohn­ort, Wohn­form und Art des Zusam­men­le­bens ist für behin­der­te Men­schen gegen­wär­tig erst in beschei­de­nen Ansät­zen ein­ge­löst. Auch die­sem Anspruch möch­ten wir mit unse­rem Pro­jekt rea­li­sie­ren helfen.

Die Bedeu­tung von Wohn­raum wird durch die Über­le­gung unter­stri­chen, dass die­ser der end­gül­ti­ge für eini­ge Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner sein könn­te. Die Iden­ti­fi­zie­rung mit Woh­nung und Umge­bung nimmt mit stei­gen­dem Alter und abneh­men­der Mobi­li­tät zu. Ein Wech­sel bzw. Umzug ist in die­sem Zusam­men­hang für die­se Men­schen nur schwer zu verkraften.

Woh­nen beinhal­tet fol­gen­de wesent­li­che Grundgedanken:

  • einer­seits die Mög­lich­keit zur Gemein­sam­keit, Kom­mu­ni­ka­ti­on und sozio-kul­tu­rel­lem Aus­druck und
  • ande­rer­seits die Mög­lich­keit von Rück­zug, Eigen­ter­ri­to­ri­um und per­sön­li­che Gestal­tung im indi­vi­du­el­len Privatbereich.

Indi­vi­du­el­les, selbst­be­stimm­tes Woh­nen behin­der­ter Men­schen ist als selbst­ver­ständ­li­che Wohn- und Lebens­form zu betrach­ten. Ent­spre­chend den Bedürf­nis­sen möch­ten wir zunächst teil­sta­tio­nä­re und in Zukunft auch betreu­te Wohn­for­men anbie­ten. Der inne­re Bezug zum Stamm­haus beim Wech­sel der Wohn­form soll erhal­ten blei­ben und somit die not­wen­di­ge Gebor­gen­heit und emo­tio­na­le Sicher­heit bie­ten. Für bei­de Wohn­for­men – teil­sta­tio­nä­res und spä­ter gege­be­nen­falls betreu­tes Woh­nen – müs­sen – ent­spre­chend den Bedürf­nis­sen – Ein­rich­tun­gen der Assis­tenz und Hil­fe (z.B. für Pfle­ge, Arzt­be­su­che, Ein­käu­fe, Frei­zeit­ge­stal­tung, Essen, Wäsche) ein­ge­rich­tet wer­den. Der Grund­satz muss lau­ten: Die Woh­nung, das Wohn­um­feld, die Ver­kehrs­mit­tel und Assis­tenz­diens­te müs­sen bedarfs­ge­recht gestal­tet und in ihrer Gesamt­heit ver­netzt werden.

Ver­trau­en, Akzep­tanz und Ver­läss­lich­keit sind die wich­ti­gen Grund­la­gen der Betreuung.

Beschrei­bung der Wohnanlage

Auf­grund der Ziel­set­zun­gen und der Bedarfs­si­tua­ti­on ist der jetzt zur Ver­fü­gung ste­hen­de Stand­ort in zen­tra­ler Stadt­la­ge (ehe­mals Schlacht­hof) ide­al. Die Grund­ideen des Kon­zep­tes „Inte­gra­ti­on – Offen­heit – Fle­xi­bi­li­tät“ fin­den auch in der bau­li­chen Gestal­tung ihren Ausdruck.

Mit dem Grund­stück auf dem ehe­ma­li­gen Schlacht­hof-Gelän­de erhält das Stamm­haus-Pro­jekt die Chan­ce, am Leben der Stadt direkt teil­zu­neh­men und mit den Men­schen der unmit­tel­ba­ren Nach­bar­schaft Kon­tak­te auf­zu­neh­men und zu pfle­gen. Die Nähe zum Stadt­zen­trum mit Stadt­bü­che­rei, Geschäf­ten, Schwimm­bad, Restau­rants usw. ermög­licht den Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­nern, dass sie ohne Hin­der­nis­se ihre ver­trau­te Wohn­um­ge­bung nut­zen und sozia­le Kon­tak­te pfle­gen kön­nen. Iso­la­ti­on und Ghet­toi­sie­rung wer­den ver­mie­den. Auch für die Sport- und Rei­se­ak­ti­vi­tä­ten der Grup­pe gibt es eine gute Anbin­dung an Ver­kehrs- und Sportmöglichkeiten.

Die Anla­ge umfasst drei Wohn­grup­pen mit je sechs Bewohnern/​innen, für die jeweils ein Ein­zel­zim­mer und eine gemein­sa­me Küche mit Wohn- und Ess­be­reich zur Ver­fü­gung ste­hen. Je zwei Bewohner/​innen nut­zen gemein­sam ein Bad.

Die Aus­stat­tung der Räu­me sieht eine Nut­zung vor durch je zwei schwerst­mehr­fach behin­der­te, einen kör­per­be­hin­der­ten Men­schen im Roll­stuhl sowie drei Men­schen mit geis­ti­ger oder Lern-Behin­de­rung, die nicht Roll­stuhl­fah­rer sind.

Die Wohn­grup­pen sind bau­lich so getrennt, dass sie wie eine Fami­lie ein eige­nes Grup­pen­le­ben ent­wi­ckeln kön­nen. Gleich­zei­tig besteht aber auch die Mög­lich­keit, die übri­gen Wohn­grup­pen leicht zu errei­chen. Zwei Wohn­grup­pen lie­gen Par­terre, eine Wohn­grup­pe ist im ers­ten Stock durch einen Auf­zug oder über das Trep­pen­haus zu erreichen.

Per­so­nal- und Vor­rats­räu­me sind zen­tral ange­legt, eine Ver­sor­gung mit Tele­fon, Ruf­zen­tra­le und PC ist gewähr­leis­tet. Ein Emp­fangs- und Gemein­schafts­raum bie­tet Mög­lich­kei­ten zu Begeg­nun­gen inner­halb der Wohn­stät­te und zu Kon­tak­ten nach außen.

Päd­ago­gi­sche Vorgehensweise

Mit ihrem Ein­satz als offe­ne Grup­pe von jun­gen Men­schen mit Han­di­cap aus Jülich und Umge­bung haben die jun­gen Men­schen erfah­ren, dass auch behin­der­te Men­schen sich für die Pla­nung ihrer Zukunft aktiv und erfolg­reich ein­set­zen kön­nen. Dabei erle­ben sie Akzep­tanz und Unter­stüt­zung in ihrer Hei­mat­stadt. Sie kön­nen es als ihren per­sön­li­chen Erfolg anse­hen, dass sie mit ihrer Selbst­hil­fe­grup­pe und deren Außen­wir­kung die Stadt über­zeu­gen konn­ten, das Grund­stück in idea­ler Lage für den Bau zur Ver­fü­gung zu stellen.

Kon­zept und Bau­plan wur­den vom Land­schafts­ver­band und Akti­on Mensch genehmigt.

Grund­la­ge die­ses Kon­zep­tes ist der aus­drück­li­che Wunsch der jun­gen Men­schen mit unter­schied­li­chen Behin­de­run­gen als Grup­pe in die­ser Wohn­stät­te zu leben, die ihnen Soli­da­ri­tät unter­ein­an­der und Unter­stüt­zung bei der Pfle­ge oder beim Neu­auf­bau ihrer Außen­kon­tak­te und eine selbst­be­stimm­te Lebens­pla­nung ermög­li­chen soll.

Das päd­ago­gi­sche Kon­zept ori­en­tiert sich zunächst an dem Über­gang zwi­schen den bis­he­ri­gen Akti­vi­tä­ten und der neu­en Wohn­si­tua­ti­on außer­halb des ver­trau­ten Eltern­hau­ses. Hier ergibt sich ein hoher För­der­be­darf, um die­sen ein­schnei­den­den Wech­sel erfolg­reich zu ver­kraf­ten und neue Res­sour­cen zu erarbeiten.

Grup­pen­auf­tei­lung

Die rea­le Wohn­si­tua­ti­on ist struk­tu­riert durch die räum­li­che und päd­ago­gi­sche Struk­tur der gemisch­ten Grup­pe von je 6 Bewohnern/​innen. Je 2 schwerst­mehr­fach behin­der­te jun­ge Men­schen im Elek­tro­roll­stuhl, ein kör­per­be­hin­der­ter Roll­stuhl­fah­rer mit Lern- und Wahr­neh­mungs­stö­run­gen und drei Men­schen mit geis­ti­gen Behin­de­run­gen oder ande­ren Teil­leis­tungs­stö­run­gen wol­len zusam­men in einer Wohn­grup­pe leben.

Ins­ge­samt gibt es drei sol­cher Wohn­grup­pen, die jeweils einen Grup­pen­be­treu­er oder eine Betreue­rin haben, die sie in der neu­en Wohn- und Lebens­form außer­halb des Eltern­hau­ses unter­stüt­zen. Ihre Auf­ga­be ist es, zusam­men mit der Lei­tung und dem übri­gen Per­so­nal die indi­vi­du­el­le För­de­rung und Unter­stüt­zung jeder(s) Bewohner(in) mit so viel Betreu­ung wie nötig und so viel Selbst­stän­dig­keit wie mög­lich im Rah­men der Zie­le der Hil­fe­pla­nung umzusetzen.

Per­so­nal­an­ge­bot

Um die Zie­le unse­res Pro­jek­tes ver­wirk­li­chen zu kön­nen und den Bewoh­nern eine opti­ma­le Betreu­ung und Beglei­tung zukom­men zu las­sen, arbei­tet Per­so­nal aus unter­schied­li­chen Berufs­grup­pen im Stamm­haus. Die Auf­lis­tung der Auf­ga­ben ist ledig­lich als Über­sicht zu betrach­ten. Detail­lier­te Auf­ga­ben­be­schrei­bun­gen erge­ben sich aus den Stel­len­be­schrei­bun­gen der jewei­li­gen Funktionstätigkeiten.

  • Lei­tung: Sozialpädagoge/​Sozialarbeiter/​in
  • Grup­pen­lei­tung: Sozialarbeiter/​Sozialpädagogen oder Heilerziehungspfleger
  • Betreu­ungs­dienst: Hei­ler­zie­hungs­pfle­ger, Erzie­her, Erziehungshelfer
  • Pfle­ge und medi­zi­ni­sche Betreu­ung: Kran­ken­pfle­ge­kräf­te, Krankenpflegehelfer
  • Haus­wirt­schaft: Haus­wirt­schaf­te­rin / Helferin
  • Nacht­wa­che / Nacht­be­reit­schaft: Krankenpflegekräfte

Tages­struk­tur

Die Tages­struk­tur der teil­sta­tio­nä­ren Ein­rich­tung ist gekenn­zeich­net durch zwei wich­ti­ge Phasen:

Pha­se 1: “ Start in den Tag“

Zunächst erfolgt der Start in den Tag zur beruf­li­chen Tätigkeit.

Hier sind inten­si­ve Pfle­ge, Anlei­tun­gen und Hil­fe­stel­lun­gen bei der Kör­per­pfle­ge, Nah­rungs­zu­be­rei­tung und Nah­rungs­auf­nah­me, Klei­dung, Ord­nung im sani­tä­ren und eige­nen Bereich genau­so wich­tig wie Struk­tur und ein ange­mes­se­ner Zeit­rah­men sowie per­sön­li­che Gesprä­che und Unter­stüt­zungs­stra­te­gien beim Bewäl­ti­gen von Kri­sen, Pro­ble­men und Kon­flik­ten im Arbeits­be­reich. Stress und Zeit­druck kön­nen hier beson­ders bei behin­der­ten Men­schen zu kör­per­li­chen und psy­chi­schen Schä­di­gun­gen füh­ren. Dabei erhof­fen sich die Bewoh­ner eine Stär­kung ihres Selbst­wert­ge­fühls und ihrer Stress­fä­hig­keit durch den Aus­tausch von Erfah­run­gen und soweit mög­lich, gegen­sei­ti­ge Unterstützung.

Pha­se 2: „Relax- und Frei­zeit­pha­se nach der Arbeit“

Bei der Rück­kehr von der beruf­li­chen Tätig­keit am Spät­nach­mit­tag sind ver­schie­de­ne For­men der Erho­lung, Ent­span­nung, Stress­ver­ar­bei­tung und Pfle­ge wich­tig. In den Wohn­grup­pen wer­den die ver­schie­de­nen Bedürf­nis­se fest­ge­stellt und durch ent­spre­chen­de Mög­lich­kei­ten umgesetzt.

Die im Tages­ge­sche­hen erleb­ten Situa­tio­nen, Pro­ble­me oder Schwie­rig­kei­ten wer­den in Gesprä­chen reflek­tiert und auf­ge­ar­bei­tet. Die Gestal­tung des eige­nen Zim­mers mit der Mög­lich­keit, sich zurück­zu­zie­hen, Besu­che zu emp­fan­gen o.a. ist eben­so wich­tig wie das Ange­bot zu Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten und Gruppenleben.

Unter­stüt­zen­de Klein­grup­pen- oder Ein­zel­maß­nah­men, Hil­fen bei der Bewäl­ti­gung von Lern­trai­ning, Stress, Ängs­ten, Bezie­hungs­pro­ble­men und Kon­flik­ten hät­ten hier ihren Platz.

Trai­ning in der Basis­ver­sor­gung im Hin­blick auf mehr Selb­stän­dig­keit und – wenn in der Ent­wick­lung mög­lich „Betreu­tes Woh­nen“- soll­te ganz­heit­lich in das Betreu­ungs­kon­zept ein­flie­ßen und auch hier exem­pla­risch gegen­sei­ti­ges Hel­fen oder Moti­vie­ren aufgreifen.

Kla­re Struk­tu­rie­rung des Abends – ohne star­re Sys­te­me vor­zu­ge­ben – im Sin­ne von Ver­läss­lich­keit und soli­da­ri­schem Han­deln soll­te die Zube­rei­tung der Abend­mahl­zeit sowie der Zwi­schen­mahl­zei­ten und den Ver­lauf der Abend­ge­stal­tung kennzeichnen.

Frei­zeit / Sport / Gesundheitsprogramm

Die Bewerber/​innen wün­schen sich eine Fort­füh­rung ihrer bis­her schon zahl­rei­chen Frei­zeit­an­ge­bo­te mit dem Wunsch, aus der Gebor­gen­heit der Grup­pe her­aus noch wei­te­re Außen­kon­tak­te zu knüp­fen oder Ange­bo­te wie Kubak­i­no, Open­air- Ver­an­stal­tun­gen im Brü­cken­kopf-Park oder Fuß­ball­spie­le, Dis­ko o. ä. zu nut­zen. Sehr wich­tig ist ihnen auch ihre Selbst­hil­fe­grup­pe als Treff­punkt für jun­ge Leu­te mit und ohne Han­di­cap, die stän­dig wächst und neue Kon­tak­te ermöglicht.

Die eige­ne Zei­tung „Stamm­haus­Nach­rich­ten“ – ent­stan­den in einem PC Kurs – soll wei­ter ein Sprach­rohr für ihre Gedan­ken, Sor­gen, Wün­sche und Erleb­nis­se bleiben.

Einen hohen Stel­len­wert nimmt auch der Sport ein. Ange­fan­gen von der Roll­stuhl­bas­ket­ball­mann­schaft der Grup­pe, die in Koope­ra­ti­on mit dem Ver­ein „Rol­li-Treff“ in Düren schon 7 Jah­re besteht und in der Läu­fer und Rol­li­fah­rer alle in Roll­stüh­len Bas­ket­ball­spie­len – über Wal­ken, Fahr­rad­fah­ren, Hand­bike­fah­ren, Schwim­men. Fuß­ball, Bad­min­ton, Ten­nis, Tisch­ten­nis und Kicker sind dabei viel­fäl­ti­ge Fähig­kei­ten zu ent­wi­ckeln und grup­pen­dy­na­mi­sche Pro­zes­se und Außen­kon­tak­te zu unterstützen.

Die jähr­li­che Mit­ar­beit beim Kar­ne­vals­wa­gen der Stamm­haus­grup­pe im Kar­ne­vals­ver­ein „Jüli­cher Ken­ger­zooch“ und der Spon­so­red­walk der FeG Jülich sind High­lights, die die Akzep­tanz der Grup­pe in Jülich deut­lich macht.

Zur Gesund­heits­för­de­rung und Gesund­erhal­tung wer­den neben indi­vi­du­el­ler För­de­rung Ent­span­nungs­an­ge­bo­te und Vor­trä­ge und Hin­wei­se zur gesun­den Lebens­füh­rung gegeben.

Ange­hö­ri­gen­ar­beit

Hoher För­der­be­darf besteht hin­sicht­lich des Ablö­sungs­pro­zes­ses vom Eltern­haus. Hier sind Ein­zel- und Klein­grup­pen­an­ge­bo­te nötig, eben­so wie eine inten­si­ve Eltern­be­glei­tung. Die­se hat schon im Vor­feld begon­nen, um den Eltern bei die­sem emo­tio­nal sehr schwie­ri­gen Pro­zess zu helfen.

Ange­strebt wird eine part­ner­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit mit den Eltern. Durch einen Eltern­bei­rat ist eine unmit­tel­ba­re Mit­wir­kung gegeben.

Päd­ago­gi­sche Umsetzung

Die päd­ago­gi­sche Arbeit ori­en­tiert sich am indi­vi­du­el­len Hilfebedarf.

Bei der Vor­be­rei­tung der Hil­fe­pla­nung erga­ben sich bei den Bewer­bern für das Wohn­pro­jekt wesent­li­che Kri­te­ri­en für die Wei­ter­ent­wick­lung ihrer Per­sön­lich­keit. Die­se Zie­le wer­den regel­mä­ßig mit dem Bewohner/​der Bewoh­ne­rin, der Fami­lie und dem päd­ago­gi­schen Betreu­ungs­team neu bestimmt und überprüft.

Die päd­ago­gi­sche Betreu­ung rich­tet sich dabei an drei unter­schied­li­chen Aus­prä­gun­gen von Hilfebedarf:

  • Men­schen mit Mehr­fach­be­hin­de­run­gen und hohem Pfle­ge- und Betreuungsbedarf
  • Men­schen mit kör­per­li­chen Behin­de­run­gen und Betreu­ungs­be­darf auf­grund von Teil­leis­tungs­s­stö­run­gen, ver­min­der­ter Stress- und Belas­tungs­fä­hig­keit, man­geln­der Mobilität
  • Men­schen mit geis­ti­gen Ein­schrän­kun­gen, Ent­wick­lungs­re­tar­die­run­gen, ein­ge­schränk­ter Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit, Lern­be­hin­de­run­gen, Seh- und Hörbehinderungen

Im Hin­blick auf einen Wech­sel in das Betreu­te Woh­nen durch eini­ge Bewoh­ner sind geziel­te Trai­nings­maß­nah­men vor­ge­se­hen in den Berei­chen Woh­nen, Arbeit, Frei­zeit und Gesund­heits­pfle­ge. Die Vor­be­rei­tung dazu erfolgt in klei­nen Wohn­ge­mein­schaf­ten oder Einzelwohnungen.

Der inne­re Bezug zum Stamm­haus bleibt erhalten.

Um eine Mit­be­stim­mung der Bewoh­ner zu gewähr­leis­ten, wird viel Wert auf eine inten­si­ve Zusam­men­ar­beit mit dem Heim­bei­rat gelegt. Bei der Mit­be­stim­mung durch die Bewoh­ner wer­den die drei wich­tigs­ten Grup­pie­run­gen berücksichtigt:

Die Men­schen mit Schwerst­mehr­fach­be­hin­der­ten, mit geis­ti­ger oder Lern­be­hin­de­rung und die Men­schen mit Kör­per­be­hin­de­rung. Ihre Mög­lich­kei­ten, sich mit­zu­tei­len wer­den bei Schwie­rig­kei­ten in ihrer Fähig­keit zu spre­chen oder zu kom­mu­ni­zie­ren durch Per­so­nen ihres Ver­trau­ens so unter­stützt, dass sie ihr Befin­den und ihre Inter­es­sen ange­mes­sen dar­stel­len können.

Unse­re Leit­zie­le sind: Per­sön­li­che Zufrie­den­heit, Gebor­gen­heit in der Grup­pe, Wei­ter­ent­wick­lung und Ori­en­tie­rung nach Außen.

Mit dem Ent­wi­ckeln unse­res Wohn­pro­jek­tes wird sich auch unser Kon­zept ent­wi­ckeln, es bleibt fle­xi­bel und wird von den Bewoh­nern, den Eltern und den Mit­ar­bei­ter im Rah­men der Qua­li­täts­si­che­rung immer wie­der über­ar­bei­tet und ange­passt werden.